Die SBB – der Glanz ist Weg

    (Bild: zVg) Eric G. Sarasin

    Ich habe in der Vergangenheit schon viel geschimpft und mich zur SBB – unser Schweizerisches Vorzeigeunternehmen – geäussert. Als Viel-Zug-Fahrer muss ich feststellen, dass sich die Situation seit dem Frühjahr nochmals verschlechtert hat. Nicht nur ich erfahre das am eigenen Leib, überwerfen sich doch die Schlagzeilen in den Medien im regelmässigen Rhythmus: «SBB stellen trotz Passagierzunahme immer wenige Zugbegleiter ein», «Lokführer erheben weitere, schwere Vorwürfe gegen die SBB», «Alle neuen Doppelstöcker (von Bombardier) müssen zurück in die Werkstatt», «SBB in der Kritik – der Fahrplan kann nicht garantiert werden». Die Sonntagszeitung hat der SBB-Misere in ihrer letzten Ausgabe sogar eine ganze Doppelseite gewidmet.

    Andreas Meyer (CEO der SBB) tritt nun die Flucht nach vorn an, indem er in einer Pressekonferenz letzte Woche die Unzulänglichkeiten zugibt und verspricht Abhilfe, jedoch erst ab 2021. Er wirkte ein bisschen weniger abgehoben als sonst und entschuldigte sich mehrmals. Wenn man die Situation der SBB heute analysiert, muss man feststellen, dass die Fehler im Management eine lange Vorlaufzeit haben. Die Mängel an den Zügen, das erhöhte Verkehrsaufkommen (Passagiere), der Personalengpass, die konstanten Verspätungen, wurden offenbar lange ignoriert. Heute erinnert das, was die SBB bietet, eher an ein Zugnetz in Südeuropa als an eines in der Schweiz. Wir waren doch einst so stolz auf unsere einwandfreien und pünktlichen Züge, und alle Touristen haben die Schweiz dafür gelobt!

    Restrukturierungsfall SBB
    Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Die Ursachen sind vielschichtig, aber erklärbar. Da wäre vielleicht zuerst das Management, denn der Fisch stinkt bekanntlich meistens vom Kopf. Wurde vorausgeschaut und entsprechend geplant? Wohl eher nicht. Das steigende Passagieraufkommen hätte man erkennen müssen und entsprechende Züge mit mehr Kapazitäten bestellen sollen. Fragwürdig ist der Zuschlag an Bombardier anstatt an Stadler Rail, wenn man die Pannen der Doppelstockzüge in Betracht zieht. Durch die Engpässe wurde der Druck auf die Mitarbeiter überwälzt, was zu einer grossen Belastung bei den Lokführern, dem Begleitpersonal und den technischen Mitarbeitern führte. Ich frage mich, wie es um die Unternehmenskultur bei der SBB steht. Stehen alle 32’309 Mitarbeiter, übrigens 810 weniger als 2016, voll hinter dem Unternehmen? Wenn man die Schlagzeilen sieht – eher nicht.

    Die SBB scheint ein typischer Restrukturierungsfall zu sein, und das sollten die Politiker auch sehen, ist es doch schliesslich ein Staatsunternehmen. Die Politik wurde jedoch jahrelang von der Führungsspitze der SBB unter Andreas Meyer geblendet, sodass keine vertieften Fragen gestellt wurden. Immer wieder wurden sie besänftigt. Es ist also wichtig, dass jetzt eine unabhängige Task Force im Zusammenhang mit der Restrukturierung eingesetzt wird, und zwar von der zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga und dem Verwaltungsrat der SBB.

    In den strategischen Zielen des Bundesrates für die SBB von 2019 – 2022 steht unter der ersten Ziffer:
    Die SBB entwickelt und erbringt für ihre Kundinnen und Kunden im Personen- und Güterverkehr attraktive, sichere, pünktliche und qualitativ hochwertige Mobilitätslösungen und wirkt auf einen einfachen und kundenfreundlichen öffentlichen Verkehr hin. Sie stellt die dafür notwendige, vom Bund bestellte und finanzierte Infrastruktur zuverlässig bereit und bewirtschaftet ihre Immobilien professionell.

    Wenn man dies liest, tönt das ja ganz schön und irgendwie auch überzeugend, doch werden einige Punkte innerhalb dieser strategischen Ausrichtung nur teilweise oder gar nicht erfüllt. Ich glaube, es ist im Interesse aller – Aktionäre (Bund) und Kunden (Bürger) – dass JETZT etwas passiert. Schliesslich sind die Bürger nicht nur Kunden, sondern finanzieren via ihre Steuern einen Staatsbetrieb.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt, bleibt also zu hoffen, dass sich die Situation nicht erst im Jahr 2021/22 bessern wird.

    Eric G. Sarasin


    ZUR PERSON

    Eric G. Sarasin ist Inhaber seiner Familienfirma «White Sail Consulting AG», von welcher er aus verschiedene Verwaltungsratsmandate inne hat, in Unternehmen investiert und Jungfirmen berät. Er ist in diversen wohltätigen Organisationen aktiv, wie bei der Krebsliga beider Basel, der Stiftung «Race for Water» und in mehreren Stiftungsräten.

    Eric G. Sarasin ist verheiratet mit einer Amerikanerin und Vater von vier Kindern. Zu seinen Hobbies gehören sportliche Aktivitäten wie Joggen, Yoga, Golf, Fussball und Langlauf. Zudem interessiert er sich für die Filmwelt und Politik.

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