«Einschränkungen auf ein absolutes Minimum beschränken»

    Momentan zeigt sich noch eine Zurückhaltung bezüglich Unternehmensnachfolge. Doch Giorgio Meier, Leiter Unternehmensnachfolge bei der ITERA AG, hofft allerdings auf eine Entspannung spätestens im zweiten Halbjahr 2021. Er geht davon aus, dass sich aufgrund der baldigen Impfung die wirtschaftliche Lage im 2. Quartal wieder beruhigen wird.

    (Bild: zVg) Der Aarauer Bezirksrichter Giorgio Meier-Mazzucato.

    Sie sind erfahrener Experte im Bereich Unternehmensnachfolge. Wie sieht aktuell die Situation der Nachfolgeregelung bei KMU aus?
    Giorgio Meier: Unternehmensnachfolgen von KMU sind hinsichtlich ihrer zeitlichen Komponente primär subjektiv bestimmt, wobei es zwei grundsätzliche Situationen gibt, nämlich die unvermittelten bzw. rapiden und die geplanten Unternehmensnachfolgen. Unvermittelte bzw. rapide Unternehmensnachfolgen ergeben sich aufgrund einer Notsituation wie Krankheit, Unfall oder Tod. Einer meiner langjährigen Berufskollegen, der ein KMU besass, ist zum Beispiel während einer Operation verstorben. Sein KMU musste darauf schnell verkauft werden, da die wichtigste Person plötzlich fehlte. Es ist evident, dass solche Unternehmensnachfolgen sich nicht nach äusseren Umständen, so auch nach wirtschaftlichen Situationen, richten.
    Anders sieht es aus bei geplanten Unternehmensnachfolgen, bei denen die Übergabe sorgfältig vorbereitet und willentlich vorgenommen wird. Zwar bestehen auch bei einem solchen Szenario gewisse zeitliche Einschränkungen, beispielsweise aufgrund des Alters der übergebenden Person oder der notwendigen Neuausrichtung des Unternehmens. Aber in der Regel besteht hierbei jedoch ein gewisser zeitlicher Spielraum, sodass auf wirtschaftliche Baissen oder Haussen reagiert werden kann. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wie aktuell aufgrund der Coronakrise, wird eine gewisse Zurückhaltung auf der Nachfrageseite festgestellt, die auch preisrelevant ist. Dabei gibt es jedoch eine gewisse Unterteilung der Unternehmensnachfolge hinsichtlich ihrer Art zu beachten. Von den gesamten Unternehmensnachfolgen erfolgen nämlich 41 Prozent familienintern, 40 Prozent unternehmensextern und 19 Prozent unternehmensintern.

    Gerade jetzt ist die aktuelle Situation durch die Pandemie für Unternehmen besonders schwierig. Raten Sie von einer Nachfolgeregelung ab oder was muss beachtet werden, dass gerade auch in der aktuellen Situation alles gut über die Bühne geht?
    Mit Blick auf die Coronakrise zeigt sich im jetzigen Zeitpunkt noch eine gewisse übernehmerseitige Zurückhaltung, namentlich weil eine zweite Welle im Gang ist, die zumindest aktuell sich wieder reduziert. Aufgrund des Ausblicks mit inzwischen teilweise bereits zugelassenen Impfstoffen und dem sich in der Bevölkerung, der öffentlichen Hand und den Unternehmen gut eingeübten Umgang mit der Coronakrise, dürfte sich in nächster Zeit eine umfassende Entspannung zeigen, sodass Unternehmensnachfolge mit offenem Blick für die Zukunft angegangen werden dürfen. Vorbehalten bleiben dabei gewisse Branchen und Regionen, die allenfalls noch eine etwas längere Zeit damit belastet bleiben. Interessanterweise zeigen sich nach wirtschaftlichen Rezessionen generell Aufholsituationen. So wuchs beispielsweise das Bruttoinlandprodukt der Schweiz im 3. Quartal 2020 um 7.2 Prozent, nachdem es im ersten Halbjahr um kumuliert 8.6 Prozent zurückgegangen war.

    Wie beurteilen Sie als Treuhandexperte die aktuelle Lage: Wie gut können unsere KMU die momentane Krise meistern?
    Die wirtschaftliche Lage ist generell angespannt. Die Auswirkungen der Coronakrise sind unterschiedlich. Einzelne Unternehmen profitieren sogar, eine grössere Anzahl von KMU ist jedoch mit teilweise schwerwiegenden Schmälerungen konfrontiert und eine nicht geringe Anzahl von Unternehmen falliert.

    Was sind/waren die grössten Herausforderungen bei den Covid-19-Krediten?
    Covid-19-Kredite waren verhältnismässig leicht zu bekommen. Die Frist für Kreditgesuche ist jedoch am 31. Juli 2020 abgelaufen. Mithin gibt es keine neuen Covid-19-Kredite. Allfällige Kredite können nunmehr auf dem üblichen Wegen einer Finanzierung beantragt werden. Die grösste Herausforderung bei Covid-19-Krediten ist sicherlich deren Rückzahlung. Auch Covid-19-Kredite sind, wie andere Kredite, finanzielle Verbindlichkeiten, die sich letztlich nur durch Rückzahlung abbauen. Viele Unternehmen, die Covid-19-Kredite beantragt haben, haben diese aufgrund finanzieller Engpässe beantragt. Die Frist für die Rückzahlung beträgt fünf Jahre, beziehungsweise in Härtefällen ist eine Verlängerung auf sieben Jahre möglich. Die Rückzahlung von Krediten wird für Unternehmen, die ohnehin schon Mühe haben, teilweise wohl gar nicht möglich sein. Man kann sich fragen, ob mit diesem Instrument Konkurse nicht einfach verschleppt werden.

    Sind die steuerlichen Folgen von Covid-19 schon absehbar?
    Die steuerlichen Folgen sind deutlich. Die gesamte Wirtschaft verzeichnet eine bedeutende Reduktion des Bruttoinlandprodukts. im 3. Quartal 2020 ist es noch 2 Prozent unter Vorkrisenniveau. Bedenkt man, dass wir im 4. Quartal 2020 erneute wirtschaftliche Einschränkungen verordnet erhalten, dürfte das Bruttoinlandprodukt und das daraus resultierende Steueraufkommen bei natürlichen und juristischen Personen zumindest bis Ende 1. Quartal 2021 erheblich sinken.

    Wie wird 2021 aus treuhänderischer Sicht?
    Ich gehe davon aus, dass das 1. Quartal von der Krise überschattet bleibt. Danach dürfte sich die Situation, auch mit Blick auf die bereits gestarteten Impfungen, beruhigen und die Wirtschaft wieder anziehen. Im Idealfall wird sich eine Aufholsituation ergeben, welche den wirtschaftlichen Rückgang zu einem guten Teil wieder egalisiert.

    Was wünschen Sie sich persönlich für die Schweizer KMU-Wirtschaft?
    KMU zeigen immer wieder, dass sie über eine hohe Flexibilität und Elastizität verfügen. Trotzdem erscheinen mir persönlich die verordneten Einschränkungen unserer Regierung zu weit führend. Natürlich steht die Regierung vor einer laufenden Güterabwägung zwischen Einschränkungen und Gesundheit der Bevölkerung, die nicht einfach ist. Ich wünsche mir, dass die Einschränkungen auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Für die KMU erhoffe ich mir, eine Normalisierung ab 2. Quartal 2021, sind sie doch einer der tragenden Wirtschaftspfeiler.

    Im September wurden Sie als Bezirksrichter am Zivil- und Strafgericht Aarau bestätigt. Was bedeutet Ihnen dieses Amt?
    Ich befinde mich aktuell am Ende meiner zweiten Wahlperiode und trete im Januar 2021 meine dritte Wahlperiode an, die bis Ende 2024 läuft. Die Arbeit am Bezirksgericht stellt für mich in verschiedener Hinsicht eine Bereicherung dar. Zuvorderst steht die grosse Verantwortung, sowohl in zivil- als auch strafrechtlichen Verfahren, gesetztes und praktiziertes Recht zutreffend anzuwenden und dabei immer vor Augen zu haben, dass es um Menschen geht, über die geurteilt werden muss. Weiter schätze ich die persönliche und fachliche Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen am Bezirksgericht sehr, die mir nebst meiner Arbeit als beratender Jurist, Treuhänder, Steuerfachmann und Dozent wichtige Erfahrungen mit auf den Weg gibt. Last but not least zeigt sich die mit dem Amt verbundene Verantwortung auch ausserhalb des Gerichts in der Gesellschaft und im Familien- und Freundeskreis. Man ist selbst da immer etwas Bezirksrichter in Haltung und Gesinnung.

    Interview: Corinne Remund

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